Zum Inhalt springen

Sogle – Ein kleiner Fahrtenbericht

Erkundungsfahrt Juni 2023

Auf dem Bundesthing 2022 wurde beschlossen, dass die Bundesfahrt 2025 nach Nordmazedonien gehen wird. Aus diesem Grund haben sich vier neugierige und hochmotivierte Pfadis Anfang Juni 2023 auf den Weg gemacht, um für unseren Bund den schönsten Lagerplatz zu finden.

Die Ankunft in Skopje lag tief in der Nacht. Obwohl der Kopf hellwach war und direkt los spurten wollte, sagte der Körper nach einigen Stunden Anreise einfach nein. Und bei Nacht durch eine fremde Hauptstadt zu tingeln mit einer Stange Termine am Folgetag vor der Brust schien auch nicht die allerbeste Idee. Daher ging es zu Bett.

Nach einem kleinen erholsamen Schläfchen ging es morgens zeitig los, da noch ein oder zwei kleinere Dinge zu organisieren waren, bevor wir gegen Vormittag die mazedonischen Pfadfinder*innen in Skopje treffen sollten. Mit ihnen standen wir zuvor schon in Kontakt, da sie im Juli diesen Jahres ein großes Jamboree mit 16 Gast-Nationen ausgerichtet haben und wir uns ein wenig Austausch erhofften. Mit ihnen klärten wir also grundlegende Dinge und Fragen, wie zum Beispiel die Mazedonier*innen auf Pfadis zu sprechen sind oder wie die Polizei mit Wildcampen und Feuer machen umgeht, aber wir erhielten auch Tipps und Infos zu verschiedenen Regionen, Lagerplätzen oder Sehenswürdigkeiten und bekamen über sie auch Informationen zu für uns vielleicht noch wichtigen Leuten und Hilfestellung bei der Kommunikation mit nicht-englischsprechenden Menschen und Einrichtungen. Natürlich haben wir auch kleine Gastgeschenke mitgebracht und bekamen unerwarteter Weise auch welche im Gegenzug, was uns ungeheuer freute. Nach einer sehr spaßigen und leckeren gemeinsam verbrachten Mittagszeit war es aber an uns, Adieu zu sagen. Wir hatten noch eine Verabredung in Sogle.

Wir machten uns also auf den Weg Richtung Veles. Veles ist die nächst größere Stadt vor Sogle, circa eine Dreiviertelstunde von dem Dörfchen entfernt. Auf dem Weg dorthin sahen wir das erste Mal richtig was vom Land. Bei unserer Ankunft in der Nacht war es noch stockenduster und außer riesige, beleuchtete Kreuze auf Bergen sahen wir bis jetzt ja nur die große Hauptstadt.

Dieses Land ist wild und schön, es trägt sanfte Hügelkuppen und große Berge in sich. In den Tälern fließen Bäche und Flüsse, an denen sich mal kleinere, mal größere Dörfer knubbeln. Die Gegend um Veles ist alt und das sahen wir auch. Viele gedrungene, krumme und tausendmal geflickte kleine Backsteinhäuser mit Lehmputz tauchen immer mal wieder zwischen neueren, einfacheren und moderneren Häusern auf. Zwischen wilden Müllkippen sahen wir aber auch artenreiche Blütenmeere links und rechts der schmalen Straßen, welche sich an den Berghängen entlangschlängeln und immer mal wieder spontan atemberaubende Blicke in die nächsten Täler gewähren. Zwischenzeitig mussten wir allerdings mal kräftig auf die Bremse latschen, damit wir der sich frech über die Straße schlängelnden Schlange nicht über die Schwanzspitze sausten. Wir waren gebannt und ganz hibbelig, wie es wohl gleich in Sogle aussehen sollte denn es wurde uns plötzlich so richtig bewusst: in dieses Land bringen wir den Bund!

Als wir in Sogle ankamen, steuerten wir direkt das Haus von Familie Mazlumovski an. Zu ihnen besteht durch in Deutschland lebender Verwandtschaft schon zuvor ein Kontakt und die ersten Gespräche über einen möglichen Lagerplatz waren schon gelaufen. Diesen Zweig der Familie hatten wir jedoch noch nie zuvor getroffen, daher staunten wir nicht schlecht, wie gastfreundlich wir empfangen wurden. Die Pfadfinder*innen in Skopje haben uns zuvor schon einen ganz herzlichen Empfang bereitet und uns über die Maßen umsorgt, aber seien wir ehrlich – machen wir unter Pfadis doch eh immer besonders gerne, oder? Aber mit wieviel Aufmerksamkeit, Essen, Getränken und anderem Kram wir verwöhnt wurden, damit es uns bloß an nichts fehlte, hat uns schon sehr gerührt. Wie heißt es so schön? Fremde sind Freund*innen, die wir noch nicht kennen gelernt haben. Wir fühlten uns sehr schnell nicht mehr fremd.

Von uns Vieren spricht keine*r mazedonisch. Praktischerweise sprachen aber einzelne Familienmitglieder mal deutsch, mal englisch. Wer das nicht konnte, bekam das Wesentliche übersetzt oder es wurde kurzerhand weitere Verwandtschaft angerufen, die spontan im WhatsApp Video-Anruf übersetzte. Über Nacht lief der Buschfunk heiß, am nächsten Morgen wusste nicht nur das ganze Dorf über uns Bescheid, sondern auch mindestens die Hälfte aller Verwandten, die in Deutschland leben. Uns wurde bewusst, was wir mit unserem Vorhaben für eine Attraktion sein mussten.

Die Familie zeigte uns nahezu das ganze Dorf. Nachdem wir Abends schon viel über die Geschichte der Familie, der Ortschaft sowie der Gegend drum herum erfahren hatten und sogar schon den ersten Spaziergang samt Bild- und Filmmaterial sammeln gemacht haben, wollten wir uns natürlich noch mal im Hellen ein Bild von dem Ganzen machen. Und wir bekamen nicht genug. Wir verliebten uns beinahe in jede Aussicht und waren von Kleinigkeiten und Details fasziniert.

Wir bauten Jurtenburgen und Schattenlounges, feierten Dorffeste und gingen schwimmen, reisten mit 500 Pfadis mit dem Zug an und nahmen an AGs teil – alles vor unserm inneren Auge.

Wir haben richtig Bock!

Doch alles Schöne geht auch einmal zu Ende. Wir mussten wieder los. Auf nach Kruševo, dem Lagerplatz des Mazedonischen Jamboree 2023.

Bei unserem Gespräch mit den Pfadis in Skopje klang es nach einer etwas verrückten aber durchaus interessanten Möglichkeit als Bundeslagerplatz für uns. Kruševo ist eine in die Hänge einer Bergkette gequetschte Stadt, welche verwinkelt und verworren jeden Spalt einnimmt. Sie hat etwas Besonderes. Hier wurde im 20. Jahrhundert eine eigene, gleichnamig Republik ausgerufen, nachdem die Stadt eine zentrale Rolle im anti-osmanischen Illinden Aufstand spielte. Hier – und nur hier – ist Aromunisch eine Amtssprache. Die Republik überdauerte übrigens zehn Tage. Kruševo ist aber auf seine ganz eigene Art zerschlissen und eine sich im Ausbau befindliche Tourist*innenhochburg. Der potenzielle Lagerplatz, eine Art Freizeitpark, lag oberhalb und war kaum zu erreichen. Erst kämpften wir uns bei feuchtem Wetter den Berg hoch; oben angekommen zog ein Gewitter durch die Berge. Den Platz schlossen wir bereits nach wenigen Minuten für unser Lager aus. Doch als hätte diese Entscheidung noch bestätigt werden müssen, gestaltete sich die Abfahrt in unserem Mietwagen als regelrechte Offroad-Rallye, welche die allerbesten Fahrkünste forderte. Aber was soll ich sagen – wir sind einfach Profis. Abgefahrene Unterbodenbleche sind dabei hinzunehmende Kollateralschäden.

Nachdem wir uns von dieser nervenaufreibenden Tour erholt und unser nächtliches Lager aufgeschlagen hatten, ging es am nächsten Morgen weiter nach Westen Richtung Prespasee, zum Galicia Nationalpark. Dieser Park liegt in einem Höhenzug genau zwischen dem Prespasee und dem Ohridsee. Wir nutzten die phänomenalen, aber diesigen, Ausblicke, um noch mal ordentlich Bild- und Videomaterial zu sammeln. Besonders fasziniert waren wir von den Pelikanen, welche in aller Seelenruhe über die Seen dümpelten, aber auch vom Spiel der Wolken zwischen den Bergen. Wie weiche Monster verschluckten sie die Gipfel, waberten wie Wesen aus einer anderen Welt durch die unsere hindurch und spien alles wieder aus, was sie zuvor verschluckten, sogar die Sonne.

Doch wir mussten wieder weiter, wir hatten ein neues Ziel: Skrebatno.

Skrebatno ist eine alte Kirche, welche auf ihrem Gelände einen großen Lagerplatz hat, den wir uns unbedingt anschauen wollten. Da wir mal wieder später am Abend und im dunklen ankamen, vertagten wir unseren Rundgang auf den nächsten Morgen. Der Platz liegt tief im Wald an einem Berghang und ist über mehrere kleinere Ebenen verteilt. Wir wanderten eine gute Dreiviertelstunde über das Gelände und untersuchten alles ganz genau.

Als wir von unserem Rundgang mit dem Fazit, dass dieser Platz aufgrund der etwas schwierigen Anreise nicht der Perfekte war, aber durchaus eine adäquate Alternative sei, zurückkamen, wurden wir von vier zur Kirche und dem Gelände gehörenden älteren Männern neugierig empfangen, wobei sich die Kommunikation deutlich schwieriger gestaltete als zuvor. Mit englisch kamen wir hier nicht weit und mit den 5 Brocken deutsch der Männer waren die Gespräche auch nicht die ausführlichsten; aber mit Händen und Füßen lässt es sich ja bekanntlich in jeder Sprache kommunizieren. Der selbstgebrannten Rakija aus der Weinflasche brauchte übrigens auch keine Übersetzung. Nachdem wir noch einen Blick in die kleine Kirche voller Marienbilder und monetären Gaben jeder Art werfen konnten, ging es allerdings schon wieder weiter – unser Ziel: Ohrid.

Ohrid ist eine kulturschwangere und die geschichtsträchtigste Stadt Mazedoniens am Ufer des Ohridsees. Daher nutzten wir die Gelegenheit, ein wenig Sightseeing zu betreiben und sahen uns um. Für unsere Bundesfahrt taugt diese Tourist*innenmetropole wohl lediglich als interessanter Zwischenstopp oder große Einkaufsmöglichkeit, doch sehenswert ist sie allemal. Wir folgten einer weiteren Empfehlung zum Scout Center Ohrid, etwas außerhalb und direkt am Ufer des Sees. Dieser Platz eignet sich zum übernachten für einzelne Fahrtengruppen auf dem Hajk; als Bundeslagerplatz scheidet er allerdings aus.

Also rafften wir unsere sieben Sachen und machten uns auf den Weg nach Norden zum Mavrovo Nationalpark, um von dort weiter zur Matka Schlucht zu gelangen. Sogle fuhr immer mit.

Die Matka Schlucht ist beindruckend anzusehen. Sie besteht aus einem schmalen Tal mit einem wilden, klaren, an manchen Stellen türkisblau erscheinenden Fluss. Wir konnten uns nicht nehmen lassen, die Zehen rein zu stecken und waren verblüfft, wie kalt er ist.

Dieser Fluss schlängelt sich zwischen schroffen Felsen und entspringt einem durch eine Staumauer begrenzten See. Dort ist auch ein Bootsverleih, von welchem die Schlucht mit Booten durchfahren und erkundet werden kann. Die Wanderwege sind in die Felswand geschlagen; in uns brodelte die Abenteuerlust: was wohl hinter der nächsten Kurve auf uns warten mag? Denn so wie der Berg seine schroffen Kanten und Winkel hat, so schlängelt sich auch der Weg an seine Füße gequetscht entlang. Wir wussten gar nicht, was wir zuerst bewundern, aufnehmen und fotografieren sollten; wir hätten uns stundenlang auf diesem Pass aufhalten können.

Doch dies war der letzte Tag, wir mussten zurück nach Skopje, nach Deutschland, nach Hause.

Unser Kopf war voll von Eindrücken, Gedanken und Vorstellungen. Wir waren kribbelig und voller Tatendrang. Wir schmiedeten Pläne, was wir alles machen wollen und freuten uns schon wie Bolle, im nächsten Jahr wieder zu kommen um konkret werden zu können.

So ließen wir spät abends Mazedonien hinter uns. Und unsere Herzen in Sogle.

Euer Team der Erkundungsfahrt